Leider gehen die Aussagen der Politiker im Artikel „Ampel will Tempo“ nicht über Allgemeinplätze hinaus. Einmal mehr setzen sie sich nur oberflächlich mit dem Thema auseinander, statt den offensichtlichen Widersprüchen in diesem Projekt auf den Grund zu gehen.
Frau Thalmayr, Co-Vorsitzende der Grünen im Landkreis, möchte nicht in „fundamentale Opposition“ zum Projekt Brenner-Nordzulauf gehen. Es wäre allerdings nötig, sich von fundamentaler Befürwortung aller Schienenprojekte, insbesondere überflüssiger, zu verabschieden.
Folgende Fragen müssen Frau Thalmayr und auch die Bundes-Grünen beantworten:
Warum ein Hochgeschwindigkeitsgleis um 80% Güterzüge fahren zu lassen?
Warum wird stattdessen kein Güterzuggleis geplant?
Ein Hochgeschwindigkeitsgleis ist mit den gravierendsten Eingriffen in Natur und Landschaft und größtem Flächenverbrauch verbunden. Bestehende Hochgeschwindigkeitstrassen zeigen, dass hier hauptsächlich ICEs verkehren und nur wenige bis gar keine Güterzüge fahren, weil schneller Personenverkehr mit langsamen Güterzüge nur schlecht bis gar nicht kombinierbar ist.
Warum ist die Bestandsstrecke heute nur zu Hälfte ausgelastet?
Eine Verlagerung von Güterzügen auf diese Strecke wäre dringend notwendig, um die Verkehrsprobleme auf der überlasteten Inntalautobahn zu lösen. Und obwohl diese Verlagerung umsetzbar wäre, geschieht seit Jahren nichts. Der ungenutzte Bestand zeigt deutlich, dass freie Kapazitäten auf der Schiene nicht automatisch eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene bewirken, solange die verantwortlichen Politiker nicht bereit sind, die dafür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Im schlimmsten Fall, wird eine überflüssige, Hochgeschwindigkeitstrasse gebaut, die dann vom Güterverkehr weitestgehend ungenutzt bleibt, wie dies von anderen Beispielen (ICE-Trasse München-Berlin: 0 Güterzüge) bekannt ist.
Wie kommt Frau Thalmayr zu der Überzeugung, der Bestand sei nicht leistungsfähig genug?
In der offiziellen Projektbroschüre der Bahn steht eindeutig, dass die Bestandsstrecke TEN-fähig, also als Zulaufstrecke zum BBT geeignet sei und dass laut Verkehrsprognosen zwischen Rosenheim und Kiefersfelden keine Überlastung zu erwarten sei und deshalb ein Ausbau der Bestandsstrecke ausreicht. Weitere Verkehrsprognosen bestätigen dies und auch die EU fordert keinen Neubau. Warum also fordert Frau Thalmayr unbedingt eine Neubautrasse? Nicht jedes Gleis ist per se richtig und vernünftig, nur, weil es sich um eine Schiene handelt!
Frau Ludwig sollte dringend erklären, warum im Landkreis Rosenheim unbedingt eine Neubautrasse für ein 3. und 4. Gleis gebaut werden soll, im weiteren Streckenverlauf von Grafing bis München aber die zweigleisige Bestandsstrecke ausreichend ist, obwohl dort zusätzlich die Züge von und nach Salzburg fahren. Wohin verschwinden ab Grafing die Züge, die unser Bestandsgleis im Inntal angeblich überlasten? Die oft herangeführte Begründung, ab Grafing existierten bereits 4 Gleise, ist nicht zutreffend, da das 3. und 4. Gleis ab Grafing allein dem S-Bahnverkehr vorbehalten sind und für Güterzüge somit nicht genutzt werden können.
Wie hat Frau Ludwig ihre Verantwortung für ihren Wahlkreis in der Vergangenheit wahrgenommen?
Warum hat sie als Vertreterin des Landkreises Rosenheim keine Einwände erhoben, als bei der Abstimmung im Bundesverkehrsausschuss das Projekt Brennernordzulauf ohne Bedarfsnachweis und Nutzen-Kosten-Faktor Berechnung widerrechtlich in den vordringlichen Bedarf eingestuft wurde? Warum hat sie dabei nicht nur mit „dafür“ abgestimmt, sondern diese einmalige Vorgehensweise sogar maßgeblich mit eingefädelt?
Warum hat sich Frau Ludwig im Sinne des Landkreises nicht für gleichwertige Planungen zum Bestandsausbau bzw. zum Bau eines Güterzuggleises entlang der Autobahn eingesetzt?
Warum aber wurden alle Alternativplanungen bis heute kategorisch ausgeschlossen? Alternative Lösungsvorschläge hätte es einige gegeben und nur mit diesen Alternativen ist es unseren Bundestagsabgeordneten möglich, am Ende die bestmögliche Entscheidung im Sinne aller zu treffen.
Gegen eine Beschleunigung von Planungs- und Verwaltungswegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, sofern gewährleistet ist, dass die Rechte betroffener Bürger gewahrt bleiben. Umso wichtiger ist es aber, dass dann die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit von Neubaumaßnahmen im Vorfeld gründlich untersucht werden, denn eine Beschleunigung von Blödsinn braucht niemand.
Thomas Riedrich
Sprecher Brennerdialog Rosenheimer Land e.V.